Michelangelos Sibilla Libica in Wien

Michelangelos Sibilla Libica in Wien

Die Fresken der Sixtinischen Kapelle – darunter die „Sibilla Libica“ – sind noch bis 4. Dezember 2016 in der Wiener Votivkirche ausgestellt.

Votivkirche Übersichtsplan

Übersichtsplan der Ausstellung. Der Sibilla Libica ist Exponat-Nummer 23 zugeordnet

Während Besucher im Vatikan Michelangelos Fresken nur aus der Ferne zu sehen bekommen, bietet uns die seit 1. September in der Wiener Votivkirche laufende Ausstellung die Gelegenheit, die Wandmalereien zwar natürlich nicht im Original, aber immerhin in Originalgröße und aus unmittelbarer Nähe zu betrachten. Dieses visuelle Erlebnis verdanken wir hochwertigen Großformat-Farbfotografien, die der mittlerweile 93-jährige österreichische Fotograf Erich Lessing – wer kennt nicht das Foto, das er anlässlich des Österreichischen Staatsvertrages auf dem Balkon des Belvedere aufgenommen hat – in den 1990ern in der Sixtinischen Kapelle anfertigte, um die frisch restaurierten Fresken zu archivieren. Auf Basis dieser Bilder wurden 34 farbechte Leinwand-Kunstdrucke in Originalgröße hergestellt, die nun – nach der Weltpremiere in einer Messehalle in Montreal im Vorjahr – in einem extra abgetrennten und umgebauten Teil der Votivkirche, und damit in einem weitaus angemesseneren Ambiente, ausgestellt sind.

Die Libysche Sibylle in der Wiener Votivkirche

Die Libysche Sibylle in der Wiener Votivkirche

Neben der „Die Erschaffung Adams“ und dem ihm vielleicht schon in Kürze bevorstehenden „Jüngsten Gericht” ist dort auch die „Sibilla Libica“ zu sehen. Warum Michelangelo neben den sieben alttestamentarischen Propheten, die das Erlösungswerk Christi voraussagten, die Libysche Sibylle und 4 andere „heidnische“ Prophetinnen in der Kapelle verewigt hat, wird wohl ein Rätsel bleiben. Vertreten die Sibyllen wirklich – wie einige Interpreten meinen – lediglich die damals als Erdteile angesehenen Gebiete Persien (Persica), Asien (Erythraea), Afrika (Libica), Italien (Cumaea), Griechenland (Delphica)? Der Ausstellungskatalog dazu:

„Die fünf Sibyllen stellen das Gegenstück zu den biblischen Propheten dar. Sie wurden aufgrund ihrer prophetischen Gaben in der Antike verehrt, und nach den Stätten ihrer Herkunft benannt. […] Die Prophezeiungen der Sibyllen wurden von der Kirche letztendlich neu interpretiert und in Kontext mit dem Kommen des Erlösers gesetzt.“

Den milden Begriff „Neuinterpretation“ kann man getrost durch „Verfälschung für die eigenen Zwecke“ ersetzen. Was meine Nachforschungen zur antiken „Sibilla Libica“ ergeben haben und was sie mir und für die edition libica bedeutet, können Sie in einem eigenen Artikel nachlesen.

Zwar mag der relativ hohe Eintrittspreis von € 18,- ein wenig vor einem Besuch der Ausstellung abschrecken, aber Goethe hatte schon recht als er feststellte: „Ohne die Sixtinische Kapelle gesehen zu haben, kann man sich keinen anschauenden Begriff machen, was ein Mensch vermag.“ Alternativ zum Besuch in der Votivkirche kann man natürlich auch – um den Organisator Michel Erb zu zitieren – „extra nach Rom fahren, um dort fünf bis sechs Stunden in der Schlange stehen und sich danach im 20-Minuten-Takt durch die Kirche schleusen lassen“.

“Michelangelos Sixtinische Kapelle in Wien”
1. September bis 4. Dezember 2016
Votivkirche, Rooseveltplatz, 1090 Wien
Eintrittspreise zwischen 16,50 und 19,50 Euro
www.sixtinischekapelle.at


Simone Klein

Simone Stefanie Klein hat seit der Gründung der edition libica im Sommer 2013 die Verlagsleitung inne und betreut als Lektorin und Buchgestalterin die Buchprojekte. Außerdem zeichnet sie verantwortlich für die Verlagswebsite.

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2 Gedanken zu „Michelangelos Sibilla Libica in Wien

  1. Hans-Jürgen Gehrke

    Sehr geehrte Frau Klein,
    gerne würde ich auch etwas sagen über die Qualität und die Hintergründe zu dem Poster der Libyschen Sibylle.
    Hier ein Eindruck bzgl. der Ausstellung, der sich auf auf ALLE Sibyllen übertragen lässt.
    Mit freundlichen Gruss
    Hans-Jürgen Gehrke, Kunstmuseum Gehrke-Remund, Baden-Baden
    http://www.Kunstmuseum-Gehrke-Remund.org

    Katastrophe beim Eckgemälde – Die Eherne Schlange – von Michelangelo in der Wiener Ausstellung „Sixtinische Kapelle“ in der Votiv-Kirche:
    Mit Bildbearbeitung wurde das Werk verunstaltet (zwei dicke Balken wurden links und rechts am Rand hinzugefügt), das Gemälde wurde beschnitten (nur das Mittelteil ist zu sehen, die Bildaussage ist völlig verloren gegangen) und es wird in der Votiv-Kirche im Zustand VOR der Reinigung gezeigt. Dunkel, dreckig.
    Michelangelo hat dieses so nie gemalt, kein Fotograf hat dieses je so fotografiert.
    Es ist sehr traurig, was mit diesem Meisterwerk hier angestellt wird.

    „Das Jüngste Gericht“ von Michelangelo ist als ungereinigtes XXL-Poster in der Votivkirche, Wien zu sehen.
    Das darf man einem Welt-Meisterwerk und Michelangelo nicht antun.

    Das XXL-Poster in der Votivkirche bildet das Gemälde VOR dessen aufwändiger Reinigung in den Jahren 1990 bis 1994 ab. Dunkel, dreckig unansehnlich. 
    In der Votiv Kirche-Version sind auch alle späteren Übermalungen noch zu sehen. (z.B. einige der sogenannten Hosen), die nicht von Michelangelo stammen. Warum reinigt man aufwändig das Gemälde über Jahre und zeigt es dann ungereinigt. ???

    Schade, das gereinigte Gemälde – in seiner ganzen Pracht – hätte es verdient gezeigt zu werden.
    Ausserdem sind auf dem XXL-Poster unten das Kreuz und die Kerzen vom Altar abgebildet. 
    Michelangelo hat diese nicht gemalt – und diese verfälschen die Bildwirkung. Jesus am Kreuz hat absolut nichts mit den „Verdammten der Hölle“ am unteren Gemälderand zu tun. 

    Fotografien von Erich Lessing:
    In den Medien wird oft fälschlich behauptet: „Die Fotografien der Fresken stammen von Erich Lessing. Er war der einzige Künstler, der nach der Restaurierung in den 80er-, 90er-Jahren die Erlaubnis bekam, in der Sixtinischen Kapelle zu fotografieren.“

    Das stimmt so nicht. In der „Show“ sind ja auch einige Poster mit Fotos VOR (z.B. Jüngste Gericht) der Reinigung zu sehen.
    Wie kann man nach der Restaurierung Fotos machen die dann das Gemälde VOR der Restaurierung abbilden ?

    Der Fotograf war NICHT Erich Lessing, sondern sein Bild-Archiv hat offensichtlich nur die Vermarktung der verschiedenen Fotografien vom Vatikan übertragen bekommen – wie viele andere Bildarchive auch.

    Lessing hat also diese Deckengemälde nicht selber fotografiert. Schon gar nicht liegend auf dem Gerüst wie einer der Veranstalter ins Mikrofon erzählt und auch nicht wie Michelangelo ( Michelangelo malte immer stehend.)

    Bilder in Originalgröße ? Na ja. Das ist wohl „nicht ganz korrekt“ (z.B. gem. Wikipedia Maße bzgl. der Sixtinischen Kapelle Bilder).
    Keines der Poster zeigt die Gemälde der Sixtinischen Kapelle annähernd in Originalgröße.
    Mache (jede 2. Genesis-Gemälde) sind sogar maßlos zu gross abgebildet.

    Fresko-Stil? Wie will man auf gewebten Stoff eine Oberfläche im Fresko-Stil realisieren? Von den Farben ganz zu Schweigen. Könnten das die Veranstalter erklären ?

    Europa-Premiere?
    Zur Zeit ist ja in Köln eine weitere Sixtinische Kapelle -Foto-Ausstellung, ebenfalls mit dem Anspruch einer „Welt-Tour“.
    Die hat aber die Fotografien direkt vom Vatikanischen Museum erworben – und alles Fotografien der Kapelle nach der Restaurierung.

    Antworten
    1. Simone Klein

      Sehr geehrter Herr Gehrke,

      herzlichen Dank für Ihren ausführlichen Kommentar, den ich mir nun meinerseits zu kommentieren gestatte: (1) Ihre Beobachtungen mögen durchaus zutreffen, lassen sich aber gewiss nicht einfach auf ALLE Sibyllen übertragen, zumal Sie sich in Ihren Ausführungen überhaupt nicht auf die Sibyllen beziehen. (2) Dass einige der Gemälde im Zustand VOR der Restaurierung ausgestellt sind, beweist nicht, dass nicht auch diese von Erich Lessing abgelichtet wurden. (3) Die Behauptung, dass „Der Druck der Bilder auf Stoff eine beeindruckende Authentizität [des Fresko-Stils] ermöglicht” findet sich interessanterweise auf der Website der von Ihnen so gelobten Kölner Ausstellung, und dass (4) Veranstalter ihre Ausstellungen nicht immer ganz wahrheitsgemäß bewerben und nur allzu gerne zu Beschönigungen und /oder Übertreibungen neigen, müssten Sie als Kunst- und Managementberater doch eigentlich am besten wissen.

      Mit herzlichen Grüßen aus Wien nach Baden-Baden
      Simone Klein

      Antworten

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